Seit 40 Jahren fliegen Grüße der Menschheit durch das Weltall, adressiert an außerirdische Unbekannte. Sie sind auf der goldenen Schallplatte verewigt, die mit der Voyager 2-Sonde in den Orbit startete.
Heute hört man von abertausenden Meilen entfernt ein Echo. Ein Wiederhall dieser Stimmen in 55 unterschiedlichen Sprachen, klingen aus dem Glockenturm der Kirche von Obergrunstedt in der Gemeinde Nora, Thüringen wider. Zwei Glocken, eine aus dem 16. und eine aus dem 17. Jahrhundert, empfangen sie über Körperschalllautsprecher. Die Glocken, alternierend aktiviert durch die Frequenzen der menschlichen Stimmen aus dem All, tönen als Klang der Glocken in die Kirche hinein und in die Welt hinaus.
Diese extraterrestrische Rückkopplung, könnte aus den Frequenzen der Glocken wieder in ihre ursprüngliche Nachricht rückübersetzt werden. In vielen Science-Fiction Erzählungen, wird auf eine ähnliche Weise Kontakt zu den Außerirdischen aufgenommen. Die Kirchenglocke als Empfänger, Übersetzer, Verstärker und Emitter von Nachrichten.
Die alte romanische Kirche wird seit langem wenig genutzt und trägt eine Patina, die alle baulichen Veränderungen von fast tausend Jahren in vielen Details Sichtbar lässt. Setzt man die verbleibenden 296000 Jahren der Voyager 2 Sonde zum Planeten Sirius ins Verhältnis bekommt man eine Idee von der Unbegreifbarkeit von Ewigkeit. Etwas, worüber die Menschheit seit ihrem Anbeginn räsoniert.
Ähnlich alt erscheint die Vorstellung davon, nicht allein im Universum zu sein, denn lange schon gibt es die Idee, ferne Planeten zu erreichen. Momentan ist der nahe Planet Mars das Fernziel. Von diesen Ideen, die fiktional oder faktisch sind, zeigt der Bildessay, der in den Chorraum unter den Glocken projiziert wird.
Im Mittelschiff der Kirche hängt die Projektionsmaschine, in der auf einer rotierenden Glasscheibe diese Bilder vorbeiziehen. Eine zweite Projektionsmaschine steht vor der defekten Orgel und wirft gegenläufig vorbeieilende bunte Bilder von einer bemalten Glasscheibe in den Chor und die innere Wand des Glockenturms. Feine Pinselstriche werden in der Projektion riesenhaft und erinnern an die Aufnahmen von Weltraumteleskopen. Gleichermaßen könnten es auch Bilder wissenschaftlicher Experimente sein, Vergrößerungen, die Makrofotografien von Zellen oder Atomen darstellen. Schlussendlich sind dies auch die Außenwelten, die durch die Kirchenfenster der Kirche von Obergrunstedt mit dem bloßen Auge nicht zu sehen sind.
Diese mentalen und sinnesübergreifenden Überlagerungen, verbinden sich zu einem kinematographischen Zusammenspiel, einem ungewöhnlichen deutschen Homonym. Himmel bedeutet was beispielsweise im Englischen als „sky“ und „heaven“ bezeichnet wird. Der wissenschaftliche vermessbare Himmel und der Gottesort der christlichen Lehre. Mit „Das Lange Jetzt“ werden die technische Vernunft und ein Ort von Glauben und Hoffnung zusammengebracht, wie sie auch in den Weltalltheorien des Musikers „Sun Ra“ mit „Space is the Place“ formuliert wurden sind, der fern unseres Planeten Zuflucht finden wollte.
Der Himmel ist schon lange nicht mehr die Grenze unserer Vorstellungskraft, und die orthodoxen Ängste, der Sputnik könnte Gott stören, werden kaum noch geteilt. „Das Lange Jetzt“ eröffnet in Form einer raumgreifenden Installation aus Bildern, Skulptur und Klang um sich zirkulierende Vorstellungsräume, die als Startrampen für ferne Gedankenwelten genutzt werden können.
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