TheaterDoku - Umatic - Farbe/Ton - 03:18:35 Std. - Produktion proT - 1995
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Die TheaterDoku Nomaden und Helden ist eine reine Dokumentation, also ohne Titel und Schnitte. Sie ensteht in 4 Teilen, die lediglich aneinander gehängt sind, mit der Aufführung des Theaterprojekts "Nomaden und Helden", 1. Teil der Trilogie "Götterdämmerung - Nibelungen & Deutschland Projekt (IV-2)", am 13. Oktober 1995 im Bayerischen Staatsschauspiel Marstall, München. Mit sieben Denkern und einer Performerin: Prof. Dr. Regina Becker-Schmidt, Psychologie (Hannover), Prof. Dr. Klaus Berger, Theologie (Heidelberg), Prof. Dr. L. J. Bonny Duala, Xenologie (Düsseldorf), Prof. Dr. Edmund Lengfelder, Medizin (München), Prof. Dr. Dietmar Saupe, Informatik (Freiburg), Dr. Herbert Scheingraber, Astrophysik (Garching), Prof. Dr. Wolfgang Welsch, Philosophie (Magdeburg) und Nina Hoffmann, Performance (Berlin). Synchronisator auf den Monitoren der beiden ViermalVierVideoTürme: Nomaden und Helden (7 deutsche Himmelsrichtungen 7 x 28 Minuten). Koproduktion proT, Bayerisches Staatsschauspiel im Marstall. Aufführung bei SPIEL.ART 1995 - Theaterfestival in München. Steininstallation Nikolaus Gerhart, Rauminstallation Alexeij Sagerer.
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Von 1992 bis 1998 produziert das proT in München das NIBELUNGEN & DEUTSCHLAND PROJEKT. Das NIBELUNGEN & DEUTSCHLAND PROJEKT ist eine Komposition von 11 Produktionen in 4 Horizontalen und 3 Vertikalen. Der "VierVideoTurm" Viervideoturm wird in die Themenräume Deutschland, Nibelungen, Richard Wagner und "Nomaden und Helden" gestellt.
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Silvia Stammen, THEATER HEUTE 12/95
MYTHOS UND MEMORY
Silvia Stammen über Münchens neues Theaterfestival SPIEL.ART, gekrönt von Alexeij Sagerers "Götterdämmerung"
(...) Wo Denken zum Theater wird: Sagerers "Götterdämmerung"
(...) Als unermüdlicher Katalysator verwandelt Sagerer alles, was ihm in den Weg kommt, in unmittelbares Theater. Dazu kommt die seltene Bereitschaft, die eigene Arbeit fremden Vorgehensweisen zu öffnen. Wer würde sich schon trauen, sieben hochkarätige Geistes- und Naturwissenschaftler unter der Überschrift "Nomaden und Helden" zu einem dreieinhalbstündigen Rede-Marathon antreten zu lassen? Dabei geht es natürlich nicht um eine trockene Exegese des Nibelungenlieds. Jedem steht es frei, sozusagen aus den Vollen seines Fachgebiets zu schöpfen. Dabei stellt Sagerer die Frage: "Wie viele nomadische Linien kann das Denken einer Wissenschaft zulassen und wieviel 'endgültig' auf den Punkt gebrachtes braucht es?" Und wir wissen ja, der Held zieht in den Untergang, der Nomade immer weiter... (...)
So erfahren wir durch den Informatiker Dietmar Saupe, des Sagerers Lieblingszahl 28 (7 x 4) schon vor Euklid für vollkommen gehalten wurde, weil sie sich aus der Summe ihrer Teiler selbst ergibt, aber auch, daß wir heute die Grenzen der Berechenbarkeit der Welt trotz modernster Computer nicht länger leugnen können, denn das Chaos lauert bereits im System. Im Ausschluß der Grauen aus dem Trauerritual der antiken Polis sieht die Sozialpsychologin Regina Becker-Schmidt einen Beweis für die subversive Kraft weiblichen Denkens gegenüber der fatalen Männerphantasie vom ruhmreichen Heldentod, und Professor Bonny Duala M'Bedy, Begründer des ersten Instituts für Xenologie in Köln, entlarvt die Kategorie des Fremden als politische Konstruktion. Zwar haben wir das meiste schon mal irgendwo gehört, aber selten wurde sodeutlich, wie gern das Denken in seiner Aversion gegen alles Werdende sich in den gemütlichen Sackgassen des scheinbar gesicherten Wissens und der Ideologie verkriecht. Dagegen verkündete der Philosoph Wolfgang Welsch in Namen Nietzsches und ganz im Sinne Sagerers den bevorstehenden Sieg des Nomadischen, "denn nur die Kunst, mit der Vielfältigkeit umzugehen, kann die Kunst Europas sein".
Vor solch einem Bollwerk des Intellekts verrichtet eine kleine füllige Frau im weißen Kittel Hausarbeit, bügelt stoisch dreieinhalb Stunden lang mit sieben Eisen eine Mauer aus weißem Wachs nieder. Die Berliner Performancekünstlerin Nina Hoffmann ist in ihrer stillen Konzentration der meditative Gegenpol zum intellektuellen Gedankengeklirr.
(...)
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Sven Siedenberg , BERLINER ZEITUNG vom 26.10.1995
SCHAUSPIELER ZU VERMIETEN
München hat ein neues Theaterfestival
(...) Auch ein Gewinn war die einzige Produktion aus München: "Götterdämmerung" hieß Alexeij Sagerers ebenso irritierende wie erkenntnisfördernde Trilogie, die sich mit der Nibelungen-Saga auseinandersetzt. Eine von Videokameras und Wissenschaftsprosa flankierte Annäherung an einen deutschen Mythos, die das fragmentarische zum Programm erhebt und Sagerers Ruf als Münchens letzter Theater-Rebell bestätigte.
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Informationen zum "Nibelungen & Deutschland Projekt":
prot.de/ROT/THEMEN_ROT/NIBELUNGEN/nibelungen.php