Eine Veranstaltungsreihe im Sommer / Herbst 2008
veranstaltet von der Blinzelbar, Große Bergstraße 156 - 158, 22767 Hamburg
hierunda.de/archiv/schonzeit/schonzeit-08.html
die Installation von Judith Haman und Oliver Zorn
war vom 20. Juni - 31. Dezember 2008 auf der Großen Bergstraße.
Texte, Bilder und eine DVD mit dem hier gezeigten Video sind als Dokumentation
erhältlich beim HYPERZINE Verlag: hyperzine.de/files/index.php?seite=3&folge=83
Video: Skrollan Alwert
Text zur Installation.
Zur Überwindung des befriedeten Raumes von Oliver Zorn
Diese Hochsitze sind Symbole für einen Fremdkörper, der nicht an diesen Ort gehört, hier nicht hinein passt. Der Hochsitz des Jägers hat hier nichts verloren. Für den Jäger ist die Stadt ein befriedeter Raum. Er darf / soll in der Stadt nicht jagen. Damit bleibt ihm das Ansitzen in der Stadt verwehrt.
Dass diese Hochsitze auf uns fremdartig und deplatziert wirken, ist aber auch ein Zeichen dafür, wie weit unserer Lebens- / Stadtraum bereits befriedet ist, wir uns im befriedeten Raum bewegen.
Der Begriff der Befriedung ist, was den Jäger angeht, ein rechtlicher. Als soziologischer Begriff ist die Bedeutung ähnlich, nur aus einer anderen Perspektive betrachtet.
In diesem Sinne ist die Stadt für uns befriedet, da der Jäger hier nicht jagen darf. Wir können also davon ausgehen, in der Stadt nicht einem Jagdunfall zum Opfer zu fallen.
Der Begriff der Befriedung lässt sich hier aus der Sicht des Risikos betrachten. Das Risiko ist ein Zugang zur Bewegung der Gesellschaft, zu den Reaktionen verschiedener Teilchen aufeinander, an denen ich immer gleichzeitig beteiligt und unbeteiligt bin. Der Glaube an die individuelle Situation, an die Willensfreiheit macht die Wahrscheinlichkeit des Risikos unsichtbar. Er suggeriert uns, die riskanten Ereignisse seien auf andere bezogen notwendig, auf mich bezogen zufällig.
Diese Absicherung der Wirklichkeit erzeugt befriedete Räume, die sich dadurch aus- zeichnen, dass nur bestimmte Funktionen, eine bestimmte Art des Seins, Bewegens, Benutzens in ihnen möglich ist, ohne sie zu (zer)stören und damit die Absicherung zu gefährden. Sie suggerieren eine Sicherheit vor riskanten Ereignissen, vor gewalttätigen Übergriffen durch andere. Die Hoch-sitze sollen als Störfelder gesehen werden und unsere aufwändig abgesicherte Wirklichkeit für eine gewisse Zeit verunsichern und de-konstruieren.
Diese Verunsicherung ermöglicht uns einen Blick in den topographischen Raum, bevor die Sehgewohnheit die abgesicherte Wirklichkeit wieder herstellt.
Der befriedete Raum oder die Absicherung gegen das Risiko ist natürlich eine Illusion. Aber möglicher Weise eine notwendige. Genau genommen ist die Bewegung im Raum immer mit Konflikten verbunden.
Da der Raum für uns endlich ist, hat er auch Grenzen. Die erste Grenze umschließt den Raum. Wenn sich eine Person in einem Raum befindet ist das die einzige Grenze. Sind es aber zwei Personen, kommen Grenzen hinzu. Egal ob sich die Personen wohlgesonnen sind oder nicht. Die Personen müssen sich den Raum teilen.
Da keiner dem Raum entkommen kann braucht er ein Stück des Raumes für sich. Und das muß er besetzen und grenzt sich damit gegen den anderen ab.
Dieses Besetzen ist immer auch ein strategisches Besetzen. ZB in der Form, daß man den anderen im Blick hat. Man sitzt ja auch nicht gern mit dem Rücken zur Tür. Auch nicht, wenn es eine Tür in der eigenen Wohnung ist.
Und mit dieser Strategie wird sich wieder ein Stück gegen das Risiko abgesichert und
der Raum befriedet.
August 2008